In einer Zeit, in der künstliche Intelligenz die Art und Weise, wie Branchen funktionieren, immer stärker prägt, haben wir Mario Pricken, international gefragten Consultant und Innovation Director, wenn es um die Themen Innovation und Strategieentwicklung geht, befragt, wie KI die Welt der Kreativität beeinflusst, ergänzt oder gar ersetzt.
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Mario Pricken ist seit 1999 international gefragter Consultant, wenn es um die Themen Innovation sowie Strategieentwicklung geht. Als Innovation Director arbeitet er mit internationalen Unternehmen, namhaften Agenturen, Designfirmen und Fernsehstationen zusammen. Seine fünf Bücher, darunter die Bibel aller Kreativen “Kribbeln im Kopf”, sind in acht Sprachen und einer Auflage von 150.000 Stück erschienen. In Vorträgen inspiriert er Generationen von Kreativen, Grenzen zu überschreiten und bahnbrechende Ideen zu entwickeln. In einer Zeit, in der künstliche Intelligenz die Art und Weise, wie Branchen funktionieren, immer stärker prägt, haben wir Mario Pricken befragt, wie KI die Welt der Kreativität beeinflusst, ergänzt oder gar ersetzt.
I: Wenn eine KI Ihren Bestseller "Kribbeln im Kopf" lesen würde, was glauben Sie, würde sie daraus lernen oder mitnehmen?
Mario Pricken: So unglaublich es klingt, aber vor einigen Wochen haben wir tatsächlich einen Versuch gestartet und ChatGPT mit den Denkstrategien aus meinem „Klassiker“ gefüttert, und ich muss sagen, das Ergebnis hat uns ziemlich überrascht. Es zeigte sich, dass die KI ähnlich dem menschlichen Gehirn funktioniert. Wenn man sie zum Beispiel auffordert, zwei weit voneinander entfernte Themen kreativ miteinander zu verknüpfen, entwickelt die KI ähnlich gute Ideen wie ein Kreativteam, jedoch schneller und mit vielfältigeren Lösungsansätzen. Denn Künstliche Intelligenz meistert mühelos, was dem menschlichen Gehirn so schwer fällt: Sie hat keine kreativen Blockaden, keine Angst vor einem leeren Blatt Papier, keine Scheu, Regeln zu brechen, und sie leidet auch nicht unter Gruppendruck.
I: Wie erklären Sie sich diese erstaunliche Fähigkeit?
MP: Im Gegensatz zu herkömmlicher Software ist ChatGPT von neuronalen Netzwerken inspiriert und somit selbstlernend. Einige Experten behaupten inzwischen, dass KI ein gewisses Eigenleben besitzt und oft nicht mehr erklärbar ist, wie bestimmte Ergebnisse überhaupt zustandekommen. Diese Entwicklung verläuft exponentiell, das heißt, wir dürfen damit rechnen, dass wir bereits innerhalb der nächsten Wochen und Monate neue und erstaunliche Durchbrüche sehen werden.
I: Sie preisen Künstliche Intelligenz als Ideen-Maschine und fordern Manager auf, sich diesen genialen Innovator ins Unternehmen zu holen. Wie stellen Sie sich das vor?
MP: Kreativität bedeutet, Probleme zu lösen, indem man neue Wege geht. Die meisten von uns versuchen jedoch, Probleme zu lösen, indem sie auf ihren Erfahrungsschatz zurückgreifen und ihn auf die gleiche Weise einsetzen, wie sie es immer getan haben. Das Ergebnis sind mehr oder weniger ähnliche Lösungen. Eine emotionslose Maschine wie ChatGPT ist um ein Vielfaches besser darin, disruptive Ideen zu entdecken. Sie geht neue Wege, stellt unlogische Verbindungen her oder zeigt Muster auf, die für uns bisher unsichtbar waren. Deshalb nutzen wir ChatGPT vor allem als Lieferanten mutiger, unkonventioneller Ideenansätze, die dann einem Kreativteam als Anregung dienen, um sich zu spannenden Lösungen inspirieren zu lassen. Die Zeitersparnis ist enorm, denn die Maschine meistert spielerisch das, womit wir Menschen uns so schwer tun.
I: Aus dieser Vorgehensweise könnte man schließen, dass die KI derzeit eher durchschnittliche Ideen liefert.
MP: Das hängt von Ihren Erwartungen ab. Wer das Prompting, also das Steuern der KI durch Texteingaben, richtig beherrscht, kann im Bereich Marketing bereits jetzt Lösungen entwickeln lassen, die über dem Niveau vieler Agenturen liegen. Für all diejenigen, die jedoch nach echten Innovationen oder bahnbrechenden Ideen suchen, wird das nicht ausreichen. Deshalb nutzen wir die KI derzeit noch als Katalysator für unsere Kreativität und nicht als Lieferanten fertiger Ideen. Wir sehen sie als Inspirationsquelle für den menschlichen Geist, ein Sprungbrett, das uns auf höhere Ebenen der Kreativität katapultiert.
I: Sollte sich Künstliche Intelligenz weiter so rasant entwickeln, bedeutet das, dass sie den Menschen als kreativen Schöpfer bald ablöst?
MP: Im Kinofilm "I, Robot" spielt Will Smith die Rolle des Detective Del Spooner, der einem Roboter in einem Verhör unterstellt, weder Emotionen noch Kreativität zu besitzen. Er fragt: "Kann ein Roboter eine Symphonie komponieren oder eine einfache Leinwand in ein Meisterwerk verwandeln?" Darauf kontert der Roboter mit der Gegenfrage: "Kannst du es?" Es ist zu vermuten, dass Künstliche Intelligenz die durchschnittliche Kreativität der meisten Menschen bald übertreffen wird. Was bleibt, sind die Talente, die mit ihren herausragenden Werken in Kunst, Design, Musik, Film, Fotografie oder Mode die Richtung weisen werden. Als Trost sollten wir jedoch bedenken, dass es egal ist, wie genial das Werk einer KI ist; letztendlich ist es der Mensch, der entscheidet, ob für ihn etwas Sinn, Wert und Bedeutung hat. Der Mensch bewertet und wählt aus.
I: Wird Kreativität durch KI billiger, und wenn ja, wird sie gleichzeitig weniger wertgeschätzt?
MP: Stellen Sie sich vor, im Jahr 2008 zahlte Pepsi für das Redesign seines Logos die unvorstellbare Summe von einer Million Dollar. Seitdem kennen die Preise für kreative Dienstleistungen nur eine Richtung - abwärts! Während es großen Agenturen noch gelingt, ihre Preisvorstellungen durchzusetzen, kämpfen viele der sogenannten Solopreneure. Allein in Deutschland sind mehr als 15.000 dieser Einzelunternehmer in den Creative Industries tätig. Ich denke, Künstliche Intelligenz wird diesen Abwärtstrend weiter beschleunigen. Sicher, es wird immer einige herausragende Talente geben, die ihren Marktwert behalten, aber die Mehrheit der Designer, Fotografen, Web-Entwickler, Illustratoren oder Texter wird enorm unter Druck geraten. Wie viele von ihnen in den kommenden 24 Monaten sogar ihren Job verlieren werden, lässt sich derzeit kaum erahnen.
I: Was sind Ihre Vorhersagen für die zukünftige Gehalts- und Honorarstruktur in der Kreativbranche in einer KI-dominierten Welt?
MP: Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren Menschen sehen, die eine Vielzahl von Fähigkeiten in völlig neuen Berufen vereinen. Es sind kreative Geister, die flexibel genug sind, zu erkennen, was unsere Zeit von ihnen verlangt. Sie werden begehrt sein und entsprechend gut bezahlt werden. Was hingegen mit jenen Menschen passiert, die sich nicht anpassen, die nicht bereit sind für den Wandel, kann ich nur erahnen. Ich befürchte jedoch, dass KI-Tools im Bereich Text, Film, Foto oder Illustration dazu führen werden, dass praktisch jeder die Möglichkeit erhält, hochwertige Kreativprodukte zu erstellen. Was zuvor nur Kreativen mit jahrelanger Ausbildung vorbehalten war, kann dank ChatGPT, Midjourney und Co künftig jeder innerhalb kürzester Zeit auf erstaunlich hohem Niveau erreichen. Die Folgen sind absehbar: Die Preise geraten weiter unter Druck, und es steht zu befürchten, dass gewisse Bereiche der Creative Industries zu sogenannten Billiglohnsektoren werden.
I: Welche Fähigkeiten oder Qualitäten sollten Kreative in Zukunft entwickeln, um trotz der Präsenz von KI weiterhin relevant und wertvoll zu bleiben?
MP: Die Zukunft der Kreativbranche gehört den Mutigen, die unerschrocken an ihrer eigenen Einzigartigkeit feilen. Abseits des Mainstreams zu agieren und noch unbesetzte Nischen zu erkunden, scheint ein Schlüssel zu sein, um angemessene Honorare zu erzielen. Die Botschaft lautet: Diese Ideen bekommst du ausschließlich bei mir, es sind Originale jenseits austauschbarer Massenprodukte! Und natürlich sollten sie die Klaviatur der KI perfekt beherrschen!
I: Inwieweit glauben Sie, dass Bildungsinstitutionen das Thema KI in kreativen Studiengängen integrieren sollten?
MP: Was heute revolutionär ist, wird morgen normal sein. Künstliche Intelligenz sollte so schnell wie möglich ein ganz normaler Bestandteil der Ausbildung in den Creative Industries werden. Wir sollten lernen, KI als kreativen Partner zu nutzen, gleichzeitig aber auch unsere eigene Kreativität schärfen. Denn es erstaunt mich bis heute, wie wenig Wissen über Kreativprozesse, Kreativmethoden oder Denkstrategien an Hochschulen gelehrt wird. Wer die KI künftig meistern möchte, sollte daher vom Gehirnbesitzer zum Gehirnbenutzer werden!
I: Welche Gefahren sehen Sie, wenn KIs die primären Innovatoren in einem kreativen Prozess werden?
MP: In den vergangenen 23 Jahren haben wir mit über 300 Kreativabteilungen aus den Bereichen Marketing, Werbung, Medien, Design und Produktentwicklung zusammengearbeitet. Die größte Gefahr besteht darin, dass all diese Teams künftig eine Lösung darin sehen, dass KI für sie die Ideen entwickelt. Denn dann besteht die Gefahr, dass dann nicht mehr der Mensch die gesellschaftlichen Trends setzt, sondern eine Maschine. Und zudem steht zu befürchten, dass die KI all diesen Teams ähnliche Ideen anbieten wird, was dazu führt, dass wir nur noch von einem Einheitsbrei an Ideen umgeben sein werden. Also, ich bleibe dabei: Der Mensch ist die letzte Instanz und sollte zudem bei der Ideenentwicklung ein gewichtiges Wort mitreden.
Über den Autor Mario Pricken:
Mario Pricken ist seit 1999 international gefragter Berater in den Bereichen Innovation und Strategieentwicklung. Seine fünf Bücher sind in acht Sprachen und in einer Auflage von 150.000 Stück erschienen. Zudem unterrichtete Pricken an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Als Innovation Director arbeitet er mit seinem Partner Andreas Werner für internationale Unternehmen, namhafte Agenturen, Designfirmen und Fernsehstationen.
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